Dipl.-Ing. (Kurt Ferdinand) Werner Böttger, * 11. Juni 1895 in Dresden; † 2. Januar 1971 (nicht verifiziert!) Diplom-Ingenieur im Bereich Tiefbau, Dozent an der Ingenieur-Akademie Wismar. Vom 1. Nov. 1931 bis 30. März 1933 war er als deren Direktor eingesetzt.
Er war verheiratet und hatte zwei Kinder (gemäß eigener Aussage 1949).
Böttger bezeichnete sich selbst als Freidenker und dem Deismus zugetan. Von der Kirche hatte er sich 1938 aus naturphilosophischen Gründen gelöst. [Quelle: Entnazifizierungsantrag Böttgers]
Wie auch andere Dozenten der Akademie war er Mitglied des weltweiten deutschsprachigen Männerbunds der Schlaraffia im 285. Reyche, der Vismaris in Wismar/Mecklenburg.
Zu Beginn des Herbstsemesters 1931 sah sich der damalige Akademiedirektor Adolf Weingarten massiver faschistischer und antisemitischer Hetze ausgesetzt. Ein Teil der Studenten forderten Weingartens Absetzung sowie die Aufhebung der Kündigung von Berthold, der bei der Immatrikulationsfeier den Faschismus verherrlicht hatte. Um einen Boykott oder Weggang der Studenten zu verhindern, legte der Rat Weingarten nahe, freiwillig von seinem Posten zurückzutreten. Ein angestrebtes Nachrücken durch den NSDAP-Pateigängers Fritz Müller konnte mehrheitlich verhindert werden. Dafür setzte der Rat nun den als Demokraten geltenden Werner Böttger ein.
Böttger führte als Direktor den von Weingarten eingeschlagenen Weg fort und setzte sich weiter für die Modernisierung der technischen Studiengänge ein. Unter seiner Führung wurden mehrere Partnerschaften mit ausländischen Hochschulen aufgebaut und die Hochschule Wismar als wichtiger Bildungsstandort im norddeutschen Raum gestärkt. Damit folgte er dem 1923 durch den Gründungsdirektor Robert Schmidt formulierten Lehrziel nach der „Erziehung eines praktischen Ingenieurs“, was Kurt Heinrich 1927 für seine Elektrotechnik-Studenten in der Elektrotechnischen Zeitschrift (ETZ) einmal detailliert darstellte. Die akademische Lehrweise bei polytechnischem Lehrpensum hatte sich jahrelang an dieser privaten wie auch städtischen Einrichtung bewährt. Doch die Rahmenbedingungen (Weltwirtschaftskrise) dazu verschlechterten sich zunehmend. In Böttgers Amtszeit standen ihm lediglich zehn Dozenten zur Verfügung, denen durchschnittlich fast 29 Lehrstunden pro Woche abverlangt wurden. Das betraf auch ihn selbst, zuzüglich der zu leistenden Direktionsgeschäfte.
Trotz allem versuchte Böttger als erfahrener Ingenieurpädagoge weiterhin die neu gestalteten Lehrpläne unter dem akademischen Ansatz beim Ministerium des Inneren durchzusetzen, was allerdings insbesondere wegen schwindender Unterstützung durch den Rat scheiterte. Dieser stärkte mittlerweile nationalsozialistische Kräfte, wie im Januar 1932, als er die Gründung einer nationalsozialistischen Studentengruppe (NSDStB) und deren Satzungen genehmigte.
Die Mehrheit des Dozentenkollegiums unter Böttger trat dem Ende 1932 in Friedberg gegründeten „Verein der Ingenieure und Architekten Deutschlands und Österreichs“ (VIA) mit antifaschistisch-demokratischer Ausrichtung bei, der bereits im Februar 1933 von den Nazis verboten wurde. Infolgedessen waren Wismars Akademie-Dozenten dann nur noch in den NSPAP-nahen Vereinigungen wie dem Kampfbund Deutscher Architekten und Ingenieure (KDAI), dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI) oder dem Deutschen Luftsportverband (DLV e.V.) zu finden.
Böttgers Handlungen als Direktor waren von großer Sachlichkeit geprägt. Was sich beispielsweise auch in einer 1932 vom Kuratorium eingeforderten Einschätzung zu Verfehlungen des 1931 fristlos entlassenen Leiters des Bereiches der Elektrotechnik Kurt Heinrich niederschlägt. Böttger konnte darin zwar ein „unglaublich leichtfertiges“ Handeln einräumen, aber von einer strafbaren Handlung oder auch nur Pflichtverletzung war keine Rede.
Böttger war wie andere Dozenten der Akademie auch seit 1929 Mitglied bei den Schlaraffen Vismaris und galt damit als persona suspecta und Logenbruder.
Mit der Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933 und letztlich dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 und der damit faktischen Außerkraftsetzung der Weimarer Verfassung waren die Nazis endgültig auf dem Vormarsch. Nachdem am 8. März 1933 der Stadtrat Dr. Franz Plog als Polizeidezernet den gewählten Bürgermeister Dr. Brechling mit SA-Gewalt an der Amtsausübung hinderte uns sich selbst zum Bürgermeister erklärte, hatte in Folge das Minsterium des Innern de Landtagsabgeordneter der NSDAP Alfred Pleuger eingesetzt. Ende März sah auch Böttger seine Handlungen so arg beschnitten, dass er zum 30. März 1933 seinen Posten aufgab. Pleuger betraute umgehend das NSDAP-Mitglied Dozent Dipl.-Ing. Berthold mit der Funktion des Direktors, der wiederum die sofortige Kündigung des jüdischen Dozenten Dr.-Ing. Adolf Weingarten veranlasste. Weingarten hatte im Sommer 1931 Berthold gekündigt, nachdem dieser zur Immatrikulationsfeier den Faschismus verherrlichte.
Der formale Eintritt in die NSDAP am 1. Mai 1933 (als Logenmitglied wurde er nur als Anwärter ohne Parteibuch und Vereidigung aufgenommen) erlaubte Böttger eine Weiterbeschäftigung als Dozent. Diese endete 1937, als im Zuge von Umverteilungen die Wismarer Abteilungen Hoch- und Tiefbau an das Technikum Strelitz verlagert wurden.
Die Wismarer Adressbücher verweisen auf diverse Wohnanschriften für Böttger: im Jahr 1925 Turnplatz 2, 1927/1929 Gartenstraße 1. 1931 dann der Fürstengarten 25 mit Telefonanschluss Nr. 2433 ...
Die letzte Adresse wird auch in der Stammrolle des Wismarer Vereins der Schlaraffia (Schlaraffia Vismaris) von 1931 bestätigt. (Quelle: Chronistin Frauke Lewin)
Böttger machte sich ab 1946 als Beratender Ingenieur für das Bauwesen unter privater Wohnanschrift in Duisburg selbständig. Als Baurat a. D. Böttger, Beratender Ingenieur für das Bauwesen bewarb er sich im Nebenamt um eine Stelle als technische Lehrkraft an der Staatsbauschule Essen sowie um die staatliche Anerkennung als Prüfingenieur für Baustatik. Dazu musste er einen Entnazifizierungsantrag stellen. Duisburg in Nordrhein-Westfalen befand sich in der Britischen Besatzungszone und unterlag damit den Vorgaben der Briten.
Ein erster Antrag vom 19. März 1948 wird mit der Einreihung in die Kategorie IV (Mitläufer) entscheiden. Die Entscheidung sah man vordergründig in der Mitgliedschaft in der NSDAP von 1933-1944, aber auch in den Mitgliedschaften in weiteren NS-nahen gesellschaftlichen Organisationen (DAF, NSV, NS Bund dtsch. Technik, RLB, VDA) sowie in einer frühen Mitgliedschaft in der Burschenschaft Thuringia zur Studienzeit und in seinem Kirchenaustritt 1938 begründet.
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