Ein (Audio-) Hinweis für die Leser Wismarer Beiträge Heft 29
Wismarer Beiträge Heft 29 erschienen!
Ein Sachse bringt den technischen Fortschritt in den Norden
Der erste Radio-Bastler in Wismar stammte aus Sachsen. Es war Kurt Heinrich, der sich 1922 (da noch als Dipl.-Ing.) an der Wismarer Ingenieur-Akademie bewarb. In dieser fand er Anstellung als Leiter des Laboratoriums und Leiter der Abteilung Elektrotechnik. Am 10. Juni 1924 gründete Heinrich in Wismar einen Funk-Verein.
Kurt Heinrich gründete im Laboratorium der Akademie am "Klusser Damm" (erst später dem "Am Baumweg" zugeordnet) das erste An-Institut - sein Elektrotechnisches Institut. Die Ausrüstung brachte er aus seinem bisherigen privaten Labor in Sachsen ein. Anfangs nur mit Empfangsapparaturen; ab Mai 1924 auch eine Versuchs-Funksendestation. Mit einer Funk-Vereinsgründung am 10. Juni 1924 involviert Heinrich nun auch die Wismarer Bürger. (ausführlich und bebildert in den Wismarer Beiträgen, Hefte 24-26 und 29).
Die Funksendestation der Akademie und des Vereins
Im Mai 1924 wurde im Laboratorium der Ingenieur-Akademie mit dem Funksendebetrieb begonnen (Empfang seit 1922). Das erste Rufzeichen war "Q1"(damals noch Anrufzeichen genannt). Spätere Rufzeichen auch EK4ABK und D4DT.
NEU! Wichtiger Hinweis
Das Foto in obenstehender Collage ist im Nov. 2022 als "Fälschung" entlarvt worden! Mehr dazu...
Deutschland beginnt den Unterhaltungs-Rundfunkdienst im Oktober 1923
So begann die erste Sendung eines nun regelmäßigen Unterhaltungs-Rundfunkdienstes in Deutschland. Ein Funkdienst von bereits elf Rundfunk-Diensten zuvor (wie z.B. Wirtschaftsrundfunk, Börsenrundfunk), dessen Benutzung genehmigungspflichtig war und „…dessen Aufgabe es ist, Vorträge künstlerischen und unterhaltenden Inhalts, Musikvorführungen und dgl. auf drahtlos telephonischem Wege zu verbreiten.“
Das Dilemma - kaum zahlende Hörer! Die bereits ca. 15.000 Bastler in lokalen Radio- und Funkvereinen galten als potenzielle Schwarzhörer. Am 24 Januar 1924 lud die Deutsche Reichspost zum Gespräch, um „… gemeinschaftlich den Versuch zu machen, der bisher ungesetzlichen Betätigung der nichtgenehmigten Empfangsanlagen entgegenzuwirken.“ Um mit einer Stimme zu sprechen, schlossen sich im Vorfeld etwa 30 große Radio- und Funkvereinigungen mit über 100 lokalen Gruppierungen zu einem Zweckverband, einem Kartell, zusammen. Das Deutsche Funk-Kartell.
zur Seite
Im Ergebnis der Verhandlungen autorisierte die Deutsche Reichs-Post die von ihnen anerkannten, unmittelbaren Funk- und Radioverbände (letztlich 10 Verbände mit ca. 320 Vereinen zum Ende Funk-Kartells nach 18 Monaten) zur qualifizierten Ausbildung und zur Prüfungsabnahme einer sogenannten Audion-Versuchserlaubnis.
1924 Gründung eines Funkvereins in Wismar
Die Deutsche Reichspost D.R.P. tat sich schwer, ihre Monopolstellung bei der Nachrichtenübermittlung aufzugeben. Selbst der Erwerb von Empfangsgenehmigungen war mit großen Hürden verbunden und nur über Vereinsmitgliedschaften zu erlangen. Und Sendegenehmigungen konnten, wenn überhaupt, nur an Fachleute, Institutionen oder Vereinen beantragen. Um die Funktechnik weiter zu popularisieren (in Wismar bot Dr.-Ing. Kurt Heinrich diese Themen auch in einem Abendkurs für Arbeiter an), gründete Heinrich am 10. Juni 1924 einen Funkverein in Wismar.
Aufnahme in den Funkverband Niederdeutschland e.V.
Im November 1924 wird Heinrichs Funkverein Wismar in den Funkverband Niederdeutschland e.V. in Hamburg aufgenommen. Der Hamburger Funkverband Niederdeutschland selbst wurden erst zum 30. Mai 1924 (Tagung des Deutschen Funk-Kartells) aufgenommen.
"Dem Kartell gehören nunmehr 10 große Amateurverbände an..."
Auf der Tagung des Deutschen Funk-Kartells am 30. Mai 1924 wird wissenschaftliches Zusammenarbeiten (u.a. mit dem VDE und meteorologischen Instituten) angekündigt und eine Gründungsbeteiligung an der Heinrich-Hertz-Gesellschaft.
100 Jahre Funkverein Wismar - Jubiläumsvorbereitungen
Die Geschichte, wie Heinrich mit seinem Verein in Wismar und auch deutschlandweit die vielen anderen Funk- und Radiovereine diese Aufgabe meisterten und 1924/25 aus interessierten Bürgern legale Radiohörer qualifizierten, wird im nächsten Jahr zum Gründungsjubiläum des Funkvereins Wismar e.V. vor 100 Jahren ihre Fortsetzung finden.
Doch bis dahin sollten möglichst noch ein paar Lücken in der Historie geschlossen werden. Dazu veröffentlichte die lokale Sonntagszeitung diesen kleinen Aufruf... Mit Erfolg! So fand sich dieser Pokal und mit ihm so einiges zum Besitzer. mehr...
Vereinslokal und Bastelstube des Funkvereins Wismar e.V.
Der Fremdenhof "Stadt Hamburg" war bis 1929 das Vereinslokal, bevor man zum Fremdenhof "Zur Sonne" (beide in unmittelbarer Rathausnähe gelegen) wechselte. Jeden Freitag traf man sich hier ab 20 Uhr zum Basteln: Leiter der Bastelstube 1929 war der Betriebsleiter Werner Scholz des Städt. Elektrowerks. 1930 übernimmt er von Kurt Heinrich zusätzlich die Vereinsführung.
Reges Vereinsleben
"...Aktuell (Juni 1928) 30 Mitglieder! Neuanmeldungen/Neuaufnahme von 11/7 Funkfreunden."
Empfangsversuche auf See in Vorbereitung
Funkaustellungen in Wismar
1928
1929
Am 9. - 11. Februar 1929 fand die bereits 4. Funkausstellung in Wismar im Hotel "Stadt Hamburg" statt. 18 Geräte konnten prämiert werden, davon einen Ehrenpreis des Rates der Seestadt Wismar. (mehr...)
Weiterhin Informationen zu den Vorstandsmitgliedern gesucht!
Scholz - Betriebsleiter städt. Elektrizitätswerke Wismar
Auch Fachzeitschriften geben Vereinen Themen vor
Selbst in den großen Fachzeitschriften wie die ETZ (Elektrotechnische Zeitschrift) werden Themen zu Radioschaltungen und Schutzmaßnahmen diskutiert. Hier ein Beitrag zur Gefahr, die von der Radiogerätenutzung am Gleichstromnetz ausgeht.
Gefahren für Rundfunkempfänger im Gleichstromnetz
Hochantennen als Blitzschutz beworben
Der Funktechnische Verein (F.V.T.) Berlin kämpfte 1925 gemeinsam mit dem V.D.E. (Verein Deutscher Elektrotechniker) gegen die verschärften Bauauflagen, die den Aufbau von Hochantennen in den Städten stark einschränken sollten. Um mehr Akzeptanz für die "Außenluftleiter" zu erlangen, warb man so auch mit dem sich bei sachgemäßer Installation ergebenen besseren Blitzschutz des Hauses. (aus "Funkbastler" von 1925/1926)
Auch für Wismar geht die Norag auf Sendung
Berlin zu weit für Wismar, dafür geht Hamburg
Zwar nicht mit einem Detektorapparat, aber mit einem relativ einfachen Audion-Empfänger konnte der Sender Hamburg gehört werden. Berlin dagegen nur in den Abendstunden.
Die Norag in Hamburg
Der Rundfunk in Deutschland sollte bewusst dezentral aufgebaut werden. Die technisch-organisatorische Verbreitung vom Unterhaltungs-Rundfunk oblag in jenen Jahren der Deutschen Reichspost, was die staatliche Kontrolle sicherte. Die programmlich-wirtschaftliche Zuständigkeit lag bei einer Sendegesellschaft, so dass auch private Geldgeber sich daran beteiligen konnten.
Am 2. Mai 1924, als die nun bereits fünfte Rundfunkanstalt im Deutschen Reich, ging die Norag in Hamburg auf Sendung. Hans Bodenstedt, der künstlerische Leiter des Hamburger Senders spricht „… das erste Mal … zu unseren 896 zahlenden und zu den ungezählten Schwarzhörern , die ungeduldig darauf warten, ihren Obolus zahlen zu können.“
Radiohören vor allem ein städtisches Phänomen
Das Radiohören war vor allem ein städtisches Phänomen, getragen von bürgerlichen Schichten und speziell von jüngeren Leuten. In den ersten Tagen des Programmbetriebs gab es nur wenige registrierte Rundfunkempfänger - nämlich 896. Doch die Hörerzahlen stiegen rasch an. Ein regelrechter Radio-Boom setzte ein. Die "Teilnehmerbewegung im Norag-Bezirk" wies für die Jahre von Ende 1924 bis Ende 1931 einen Anstieg von 81.000 auf 621.000 angemeldete Geräte aus. Hinzu kamen viele Schwarzhörer. (aus "1924: Der Norden geht auf Sendung", https://www.ndr.de/der_ndr/unternehmen/chronik/1924-Der-Norden-geht-auf-Sendung,norag109.html)
Die Radiotechnik und -technologien in den Anfangsjahren
Historische Radiotechnik
um 1924 / Quelle: 100Fk.de
Empfängertechnik zwanziger/dreißiger Jahre
Deutschland's Hauptakteure: - AEG, Telefunken, Siemens und Lorenz
"Die Bedeutung der deutschen Elektrotechnik in den 1930er Jahren"
"Radiosender Wismar" auf Kurzwelle
Die Versuchsfunkstation im Laboratorium am Baumweg dürfte als erster (und bislang einziger) Rundfunksender in Wismar gelten. Es ist überliefert, dass für Telefonieversuche der Sender häufig mit dem laufenden Programm das Hamburger Rundfunks aufmoduliert wurde. Was natürlich illegal war. Jedoch die Zahl der tatsächlich zuhörenden Rundfunkhörer in Wismar war wohl überschaubar, unter anderem, weil die Ausstrahlungen auf Kurzwelle erfolgten.
Technologie dieser frühen Funkverbindungen
Betriebsart - nur in Morsetelegrafie. Aber wie fanden zwei "Gesprächspartner" zusammen? Verabreden auf einer bestimmten Frequenz? Fehlanzeige, das war viel zu ungenau. Aber es gab aber auch viele weitere Probleme zu lösen...
Vor 1923 mit Huth, Seibt und Telef. auf Empfang
Aus seinem Privatbestand stellte Heinrich der Ingenieur-Akademie, namentlich seinem An-Institut dem Elektrotechnischen Institut an der Abteilung Elektrotechnik, am 16. Mai 1923 auch drei Detektorempfänger zur Verfügung:
je einen der Firmen Huth, Telefunken und Seibt.
Problem der Rückkopplung
"...Es ist daher unzulässig, daß Rückkopplungsempfänger benutzt werden, welche in die Antenne hineinschwingen. Einigermaßen sicher wird dies nur dadurch vermieden, daß bei einem Mehrröhrenempfänger mit Vorröhre gearbeitet wird, welche aus eigener Heiz- und Anodenbatterie gespeist wird, so daß nicht etwa durch die betreffenden Zuleitungen Energie auf die Antenne übertragen wird."
Der Radio-Amateur. Dr. Nesper, 1923/1925
Großes Interesse an Funkamateuren
Telefunken war sehr aufgeschlossen den Funkamateuren gegenüber. Man erkannte das fachliche Potential wie auch einen sich daraus ergebenen Markt. Im Jahre 1927 rief die Firma Telefunken in Deutschland zu einem Wettbewerb auf. Gewünscht war ein Sende-Empfangsgerät, was Sender und Empfänger in einem Gehäuse vereinte. Es war der erste Wettbewerb dieser Art und hatte eine starke Resonanz. Die preisgekrönten Geräte waren im "Funkbastler" 1927 ausführlich vorgestellt worden.
(Fast zur gleichen Zeit veröffentlichte Manfred von Ardenne nach einer längeren Amerikareise im Augustheft 1927 recht detailliert den "Heutige(n) Stand der amerikanischen Rundfunktechnik".)
1930 brachte Fa. Telefunken einen speziellen Amateur(funk)Empfänger T 32 heraus. Ein Geradeausempfänger in Form eines 0-V-2. Die Neuheit: ein Spulenrevolver.
Darf ein Bastler patentierte Geräte nachbauen?
Der Bastler - Freund oder Feind der Industrie? Telefunken lässt dazu im "Funkbastler" 1927/ Heft 17 klarstellen:
Dienstreisen Heinrichs nach Chemnitz und zu Telefunken in Berlin 1926
Dr.-Ing. Kurt Heinrich verbrachte meist die Semesterferien in seiner alten Heimat im Erzgebirge und speziell auch in den Technischen Staatslehranstalten in Chemnitz (heute zur TU Dresden). Hier in Chemnitz nutzte Heinrich Aussendungen des Wismarer Versuchssenders für Empfangsversuche, die er gemeinsam mit Prof. Carl Bangert für die dortigen studentischen Praktika einbezog.
Im September 1926 liefert Heinrich dazu in einem Brief aus Chemnitz einen Bericht an den Akademiedirektor Michenfelder und kündigte für die Rückfahrt nach Wismar seine Vorstellungen zu einem dienstlichen Abstecher nach Berlin an. Es galt seine Kontakte zur Großindustrie wie Telefunken, AEG, Siemens & Halske usw. wenigstens einmal im Jahr zu pflegen.
Wismar sucht den Zugang zum DASD und DFTV
- Akademie sucht die Mitgliedschaft im DASD (DASD)
- Verweis auf eine DFTV-Zugehörigkeit
Radio-Ingenieure auch aus Wismar
Klingt etwas übertrieben, war es aber nicht. Nachweislich "lieferte" Dr.-Ing. Heinrich Jahr für Jahr in Berliner Großbetrieben Wismarer Absolventen als Prüffeldingenieure ab, die auch bei Radioherstellern arbeiteten. Zur Schwachstrom-Übung DETEKTOR im Labor gehörte auch die Konstruktion für einen Kristalldetektor dazu. Dieser Kristalldetektor war schließlich eine variierbare Hochfrequenz-Diode, die nicht nur zum "...Großstadtempfang, sondern für vielfache sonstige Erfordernisse"/* zum Einsatz kam. (/* Der Radio-Amateur / Radio-Telephonie von Dr. Eugen Nesper 1923/25, Vorwort Seite X)
Zur Bedeutung des Funks/Rundfunks
Die legendäre Rede von Albert Einstein zur Eröffnung der Funkausstellung 1930 in Berlin fasst die Bedeutung der Entwicklung des Funks/Rundfunks treffend zusammen - die technische wie die politische:
"Verehrte An- und Abwesende!
Wenn Ihr den Rundfunk höret, so denkt auch daran, wie die Menschen in den Besitz dieses wunderbaren Werkzeuges der Mitteilung gekommen sind. Der Urquell aller technischen Errungenschaften ist die göttliche Neugier und der Spieltrieb des bastelnden und grübelnden Forschers und nicht minder die konstruktive Phantasie des technischen Erfinders.
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