Am 3. Dezember 1910 wurde der Abteilung Elektrotechnik der zwei Jahre zuvor gegründeten privaten Ingenieur-Akademie das zuerst erstellte Labor eines Laboratoriums am späteren Baumweg (Nr. 3?) zur Nutzung übergeben - dem ersten Hochschulneubau Wismars überhaupt und dem ersten Gebäude eines damals geplanten neuen Akademie-Campus. (mehr dazu im Jubiläumsartikel von 2019) / online
Damit löste die Stadt Wismar ein 1908 mit dem Gründungsvertrag zur Ingenieur-Akademie verbundenes Versprechen ein. Der Gründer und Architekt Robert Schmidt hatte sich den Bau eines von ihm selbst entworfenen Laboratoriums zusichern lassen, was ein Ausdruck für den anerkannt hohen Stellenwert einer solchen Experimentierbasis war. Mit der ersten Ausbauphase beherbergte der 156 qm große, stützenfreie Laborsaal des ET-Labors weitgehend variabel einsetzbare Versuchsplätze, die zunächst vor allem zur elektrotechnischen Grundlagenausbildung den ET-Studenten, aber auch den der anderen Fachrichtungen in interdisziplinärer Zusammenarbeit zur Verfügung standen. Ganz voran die Abt. Maschinenbau, wie dieser Auszug aus Heinrichs Beurteilung von 1934 belegt.
Das Hauptgebäude der Akademie befand sich von 1908 bis 1935 in der Wismarer Neustadt. (später als Studiengebäude I bezeichnet) Dafür hatte die Stadt die ehemalige Mädchenschule am Heilig-Geist-Hof rückseitig der Heiligen-Geist-Kirche zur Verfügung gestellt. Als sog. Studiengebäude II wurde die ehemalige St. Georgenkirch-Schule unterhalb der St. Georgenkirche ab (?) der Akademie für Konstruktions-, Bibliotheks- und Leseräume zur Verfügung gestellt.
Ab 1935 fungierte dann das extra dazu "...in modernster Weise ausgebaute" ehemalige Zeughaus als neues Akademie-Hauptgebäude. Akademie-Hauptgebäude ab 1935
Mit der Eröffnung des Labors der Elektrotechnik am 3. Dezember 1910 kann die Hochschul-Elektrotechnik auf eine 110-jährige erfolgreiche, experimentell-wissenschaftliche Ingenieur-Ausbildung in Wismar verweisen. Die Akademie favorisierte seit Bestehen eine akademische Arbeitsweise der Studenten, auch in Kleingruppen, bei großem eigenständigen Agieren. Der Erfolg lag und liegt in einer praxisnahen Ausbildung, die sich an den Erfordernissen der Zeit orientiert. Ein Kurs, der auch vom historischen Nachfolger der damaligen Abteilung ET, dem heutigen Bereich Elektrotechnik & Informatik der Hochschule Wismar, konsequent und erfolgreich beibehalten wird.
(Zum Jubiläum 2020: Artikel Ostseezeitung und online in den NEWs Hochschule bzw. Fakultät)
Der Haupteingang zum "Laboratorium" ist vom Baumweg nicht einsehbar und liegt im Innenhof, dem damals geplanten neuen Campus in Richtung Schweriner Starße zugewandt. Der eigentliche ET-Laborzugang erfolgte durch ein Gebäude mit Hör- und Zeichensaal für je 30 Plätze, dem verbindenden - später so genannten - Mittelbau des Laboratoriums.
Nach einer zweiten Bauphase fand das Laboratorium der Akademie 1913 seinen Bauabschluss. Der nun zweite Laborflügel beherbergte das Maschinentechnische Labor. 1924 erfolgte ein erster Anbau für die Versuchsfunkstation des Elektrotechnischen Instituts, der auch ersten Amateurfunkstation Wismars. Genehmigungsinhaber war der Instituts- und Laborleiter sowie Leiter der damaligen Elektrotechnik Dr.-Ing. Kurt Heinrich.
Zur Lage des Laborkomplexes Baumweg heute - ein voreingestellter Link für Google Maps. Im nachfolgenden Bild rechts im Maps-Ausschnitt gelb gestrichelt die Ausdehnung des historischen Laboratoriums zur Eröffnung 1910; der rote Rahmen zeigt den Gesamtbereich des Laboratoriums 1913 nach Vollendung der zweiten Bauphase.
Mit dem Ausblick auf neues MVU-Laborgebäude scheint zumindest das Ende einer hochschulseitigen Weiternutzung gekommen. Am 12. Juli 2021 wurde ein geplanter Neubau des Laborgebäudes für den Bereich Maschinenbau/Verfahrens- und Umwelttechnik (MVU) vorgestellt. In ihm sollen die Labore aus dem Baumweg, dem TGZ und Haus 3 an einem zentralen Ort vereint werden.
Dokumente und Infos zu
Die frühen Jahre... (hier nur ein paar punktuelle Auszüge)
Im November 2022 wurde dieses Foto vom Autor als eine Fälschung der zwanziger/dreißiger Jahre entlarvt! mehr...
Zu den allerersten Funksende(!)stationen Deutschlands gehörte die der Ingenieur-Akademie Wismar (1924). Im gleichen Jahr ließ Dr. Heinrich das ET-Labor extra dafür um einen kleinen Anbau erweitern. Über sein An-Institut (das wahrscheinlich allererste in Wismar!) wurde die Station betrieben und genutzt gleichermaßen für Lehre, Forschung und Amateurfunk. (Die Drahtlose Telegrafie und Telephonie an der Akademie) mehr zur Drahtlosen Telegrafie in Wismar
Zusammenarbeit mit anderen Hochschulen
Es gab in den zwanziger Jahren eine enge Zusammenarbeit mit den Technischen Staatslehranstalten in Chemnitz (ab 1900 Königliche Gewerbeakademie, nach 1929 Staatliche Akademie für Technik, heutige TU Chemnitz). Der damalige Wismarer Leiter der ET und Laborleiter Dr.-Ing. Kurt Heinrich arbeitete eng mit dem Chemnitzer Prof. Bangert zusammen, der als Spezialist auf dem Gebiet der Fernmeldetechnik galt, der sich um die Entwicklung des Rundfunks verdient machte. Im Rahmen der Laborpraktika war zu HF-Ausbreitungsuntersuchungen u.a. Funkbetrieb zwischen Wismar und Cheminitz praktiziert worden. (siehe Brief von Dr. Heinrich vom 14.09.1926) weitere Originaldokumente / Online-Ergänzungen
Qualitätsanforderungen an die laboratoriumstechnische Ausbildung
Erfahrungen aus jahrelanger industrieller Prüffeld- und nun Laborleitertätigkeit in einer Hochschuleinrichtung postulierte Dr.-Ing. Heinrich seine Anforderungen an die laboratoriumstechnische Ausbildung und veröffentlichte diese im Mai 1927 in der Fachpresse. Er bekam nicht nur Beifall dafür... (zum Artikel) weitere Originaldokumente / Online-Ergänzungen
Berliner Industriepartner Wismars
Es lassen sich enge Kontakte zu Berliner Großbetrieben belegen. AEG/Kabelwerk Oberspree, Siemens-Schuckertwerke GmbH (SSW), Siemens & Halske, Telefunken Gesellschaft für drahtlose Telegrafie m.b.H. und die Osram GmbH – sie ermöglichten Studenten und/oder Dozenten Exkursionen betriebliche Exkursionen, unterstützen mit Material und Gerät... und waren letztlich Abnehmer Wismarer Absolventen. In den zwanziger Jahren pflegte Dr. Kurt Heinrich die Kontakte, die ab Anfang der dreißiger durch Dipl.-Ing. Stein fortgeführt wurden. (Bsp. Brief DI Stein vom 17.09.1933) weitere Originaldokumente / Online-Ergänzungen
Zu den Print-Veröffentlichungen zur Akademie-Elektrotechnik in Wismar