Zur kurzen Einstimmung - wir schreiben das Jahr 1924/1925: https://www.dithmarschen-wiki.de/Flettner_Rotorschiff_in_Brunsb%C3%BCttelkoog-1925
“Dort liegt ein ganz neumodsches Ding im Hafen“... so der Wismarer Zeitzeuge Hans-Günther Wenzel.
Es war die BUCKAU, die Mitte der zwanziger Jahre alle zwei Stunden mit Gästen auf die Bucht rausfuhr. (es muss <30.03.1926 gewesen sein, ab dann hieß das Schiff Baden-Baden)
"...Ich mache eine Fahrt mit diesem Schiff. An Bord erfährt man dann so allerhand Neuigkeiten über die Handhabung der beiden riesigen Rotoren. Ursprünglich war die BUCKAU ein Topp-Segelschoner, dem man nun seine drei Masten abgenommen hatte. An und für sich sollte mit dieser neuen Erfindung wohl eine neue Epoche in der Seefahrt eingeleitet werden, doch- soweit ich das beobachten konnte -ging es dem Eigner, einem tüchtigen Stralsunder Geschäftsmann, wohl mehr darum, mit dieser Sensation Lustfahrten für Passagiere in See zu veranstalten. Die Neugierigen "Sehleute" zahlen gern den geforderten Preis für eine Besichtigungsreise, die manche wegen der günstigen Getränkepreise an Bord gleich mehrmals mitmachen. An diesem Tage haben wir Nieselwetter, weshalb die meisten Gäste gleich unter Deck kriechen. Der Laderaum war zu einer Bar ausgestaltet worden, wo es für jedermann reichlich zu trinken und auch zu essen gibt. Blechern summen die Rotoren, die von einer steifen nördlichen Brise in eine Drehbewegung versetzt werden."(*)
Hier irrt Herr Wentzel allerdings. Die Rotoren wurden natürlich nicht vom Wind in Drehbewegung versetzt, sondern von je einem 220V-Gleichstrom-Nebenschluss-Elektromotor von 11 kW ! mehr dazu...
(*) aus "Menschen im Küstenwind: Erinnerungen an Wismar in den 20er Jahren", Hans-Günther Wentzel, in Jahres-Zeitschrift Deutsches Schiffahrtsarchiv 5 (1982)
Der eine oder andere wird sich vielleicht erinnern, als Dipl.-Ing. Reiner Höhndorf 2003 auf dem Schweriner See mit einem alten Holzkutter Versuche mit Flettner-Rotoren fuhr. Diesen in Dänemark erworbenen Kutter hatte er allein über eisgehende Ostsee nach Wismar geschippert und nach Schwerin zur Reparatur und Aufbau von zwei Flettner Roteren je 150 Watt elektrischer Leistung überführt.
Höhndorf wollte für die Reaktivierung des Flettner-Rotors zur (Wieder-)Nutzung auf großen Schiffen zur Energieeinsparung werben. Wenige mediale Auftritte verpufften. Er war ein Solist und nicht in der Lage, das notwendige Umfeld zu mobilisieren. Sein gesamtes Geld ging dabei drauf. Alle belächelten diesen "alten Mann" nur... 2007/2008 lag der Holzkutter im Bürgerpark am "Glaskasten", der damaligen Wismarer Ausstellungshalle des Technischen Landesmuseums. Doch das Museum zeigte kein Interesse an der Bewahrung der Geschichte einer so tollen Technologie, die Höhndorf hier von Schwerin/ aus Mecklenburg Vorpommern vorantreiben wollte. Im schlecht gegen Niederschlag gesicherten, aufgeständerten Holzkutter sammelte sich Regenwasser und Schnee. Frost und Fäulnis taten das Übrige. Irgendwann hatte er den Kutter nur noch zu entsorgen.
Der UNIKAT, ein Boot mit Flettner-Rotor. Von seiner Bootsform her eine polynesiche Proa. Das Besondere an dieser Bootsform ist, dass die Proa kein Heck hat; man also ohne Wende (Halse) in beide Richtungen fahren kann. mehr dazu...
Das Video ermöglicht ein Gefühl für das Machbare eines Flettner-Rotors. Antrieb: elektrischer Außenborder, max. 35 A bei 12 Volt, normal 10 – 12 A, Drehzahl Pulsweiten reguliert.
Die Verkündung des ersten kommerziellen Großeinsatzes eines Flettner-Rotors auf der Ostsee im Mai 2020 (Fährschiff der Scandlines-Reederei) wäre nun eine späte Genugtuung für diesen Visionär einer Energiewende Reiner Höhndorf gewesen. Leider ist er im Sommer 2015 auf Grund schwerer Kopfverletzungen nach einem Sturz von einem seiner schnellen E-Fahrräder(!) im Alter von 88 Jahren verstorben.
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